BGH, Urteil vom 19. November 2014 – VIII ZR 79/14
Die Fälligkeit des gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 EEG 2012 bestehenden Anspruchs eines Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber auf Zahlung von Abschlägen auf die zu erwartende Einspeisevergütung bestimmt sich nach § 271 BGB. Sie ist gegeben, wenn der Netzbetreiber in der Lage ist, an Hand der gemessenen Einspeiseleistung die in etwa angefallene Einspeisevergütung vorläufig zu berechnen und den sich danach ergebenden Betrag an den Anlagenbetreiber auszuzahlen.
Rn: 43 bis 47:
“aa) Anders als das Berufungsgericht (OLG München, Anm. des Verf.) meint, sind die in § 16 Abs. 1 Satz 3 EEG 2012 geregelten Abschläge jedoch nicht bereits als im Voraus fällig werdende Vorauszahlungen auf eine im Einspeisungsmonat erst noch zu erbringende Einspeiseleistung zu verstehen. Denn bei Abschlägen handelt es sich um einen in der Rechtssprache seit jeher gebräuchlichen und in Abgrenzung zu Vorauszahlungen verwendeten Begriff, durch den bereits erbrachte Leistungen vergütet zu werden pflegen, bei denen die genaue Vergütungshöhe mangels Abrechnung oder Abrechenbarkeit noch nicht feststeht (vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Februar 1999 – VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 373; vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, NJW-RR 2004, 957 unter II 1 a; BAG, NZA 1987, 485, 486).
Dass der Gesetzgeber, der den Begriff des Abschlags – in Abgrenzung zum Begriff der Vorauszahlung für eine erst künftig zu erbringende Leistung (vgl. § 556 Abs. 2, § 760 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 1 StromGVV/GasGVV, § 28 Abs. 1 AVBWasserV/AVBFernwärmeV) – auch in anderem Zusammenhang für die (vorläufige) Zahlung aufgrund bereits (teilweise) erbrachter Leistungen verwendet, die noch endgültig abzurechnen sind (vgl. etwa §§ 632a, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 13 StromGVV/GasGVV, § 25 AVBWasserV/AVBFernwärmeV), mit diesem nach dem Wortsinn eindeutigen Begriff im Rahmen von § 16 Abs. 1 Satz 3 EEG 2012 ein abweichendes Verständnis verbinden wollte, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Regelung von Abschlagszahlungen im Gesetz eine bestehende Praxis klarstellend fest-schreiben (BT-Drucks. 17/6071, aaO), die dadurch geprägt war, dass Abschlagszahlungen – wie hier seit 2002 durch die Beklagte – nachlaufend in dem auf die Einspeisung folgenden Monat geleistet wurden (Empfehlung der Clearingstelle EEG 2012/6 vom 21. Juni 2012, aaO Rn. 34). Dementsprechend wird der Begriff des Abschlags auch im Anwendungsbereich des EEG mit Recht überwiegend in seinem überkommenen Sinne verstanden (Empfehlung der Clearingstelle EEG 2012/6 vom 21. Juni 2012 aaO Rn. 22 ff.; Säcker/ Thorbecke/Schumacher, aaO Rn. 49; Lehnert/Thomas, aaO Rn. 42; aA Sachsenhauser, IR 2013, 26, 27 f.).
bb) Soweit der Gesetzgeber in § 16 Abs. 1 Satz 3 EEG 2012 die Leistung von monatlichen Abschlägen vorgeschrieben hat, hat er – in Abgrenzung etwa zu quartalsweisen Zahlungen – deren Periodizität geregelt, aber keine Aussage dazu getroffen, zu welchem Zeitpunkt der Abschlag innerhalb des jeweiligen Zahlmonats zu erbringen ist (vgl. Säcker/Thorbecke/Schumacher, aaO Rn. 53). Dafür, dass der Gesetzgeber die Frage des Zahlungszeitpunkts bewusst offen gelassen hat, um den Netzbetreibern etwa das Recht einzuräumen, den Zahlungszeitpunkt innerhalb des Zahlmonats frei zu bestimmen, oder dass er diesen Punkt sonst gänzlich ungeregelt wissen wollte, bietet die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/6071, aaO) keinen Anhalt.
Die so entstandene Regelungslücke ist deshalb durch Anwendung des in Betracht kommenden dispositiven Rechts, hier des § 271 Abs. 1 BGB, zu schließen. Denn für das gesetzlich regulierte Einspeiseschuldverhältnis (§ 7 EEG 2014, § 4 EEG 2012, § 4 EEG 2009, § 12 EEG 2004) mit seinem darin enthaltenen kaufrechtlichen Kern (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2003 – VIII ZR 89/03, WM 2004, 745 unter II 2 a aa; vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 149/06, NJW 2007, 3637 Rn. 15; vom 6. April 2011 – VIII ZR 31/09, WM 2011, 1870 Rn. 31; ferner etwa Danner/Theobald/Oschmann, Energierecht, Stand 2014, § 4 EEG Rn. 15 mwN) hat es nach dem Willen des Gesetzgebers stets außer Zweifel gestanden, dass für Fragestellungen, die im EEG nicht oder nicht abschließend geregelt sind, auf das allgemeine Zivilrecht zurückzugreifen ist (vgl. BT-Drucks. 15/2864, S. 32, 45; 16/8148, S. 41, 46). Zu den danach heran-zuziehenden Bestimmungen werden deshalb mit Recht etwa auch die in den §§ 269 f. BGB getroffenen Regelungen zum Leistungs- und Zahlungsort (Dan-ner/Theobald/Oschmann, aaO; Hempel/Franke/Salje, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Dezember 2012, § 16 EEG Rn. 9) oder in der vorliegenden Frage § 271 BGB gezählt (Säcker/Thorbecke/Schumacher, aaO Rn. 59; vgl. ferner Empfehlung der Clearingstelle EEG Nr. 2011/12 vom 9. Dezember 2011, Rn. 69, abrufbar unter https://www.clearingstelle-eeg.de/empfv/2011/12).
cc) Gemäß § 271 Abs. 1 BGB, der für Schuldverhältnisse aller Art gilt (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 271 Rn. 3; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand März 2011, § 271 Rn. 3) und deshalb grundsätzlich auch bei periodisch wieder-kehrenden Leistungspflichten anwendbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – IV ZR 230/12, BGHZ 196, 150 Rn. 17; Staudinger/Bittner, BGB, Neubearb. 2014, § 271 Rn. 27), ist eine Leistung sofort fällig, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch den Umständen zu entnehmen ist. Eine Bestimmung der Leistungszeit durch Parteivereinbarung oder durch Gesetz liegt hier nicht vor. Die deshalb mangels gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmung der Leistungszeit heranzuziehenden Umstände ergeben in dem vom Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei angenommenen Sinn, dass die im Streit stehenden Abschlagszahlungen spätestens bis zum Zehnten des auf die Einspeisung folgenden Monats zu leisten sind.”
Siehe auch den vorher zu diesem Thema erschienenen Aufsatz von Dr. Sachsenhauser.